20.02.2016: Übermächtig beherrscht er die Kanarischen Inseln: der 3718m hohe Vulkankegel des Pico del Teide. 1799 bezeichnete Alexander von Humboldt den spitzen Pic als „Zuckerhut“, der ihn ein Jahr nach seinem bisher vorletzten Ausbruch (der letzte war 1909) absolut in den Bann zog.

Von dieser Faszination hat der gigantische Vulkan, dessen Basis auf 3.000m unterm Meeresspiegel liegt, absolut nichts verloren. Segelnd zwischen den Inseln ist er auch noch in größerer Entfernung und auf den anderen Inseln stark präsent: er zieht als imposante Landmarke den Blick auf seemeilenweite Entfernungen an und zudem prägt er das komplexe Windsystem dieser Atlantischen Inseln maßgeblich. Im Hafen liegend oder zwischen den Inseln segelnd zeigt er sich so, wie Humboldt ihn beschrieb:

Der Anblick des Pics, wenn man ihn vor Anker auf der Reede zum ersten Mal sieht, ist äußerst großartig. Wir sahen nur den Zuckerhut; sein Kegel hob sich vom reinsten Himmelsblau ab, während schwarze dicke Wolken den übrigen Berg bis auf 3500m Höhe einhüllten. Der Bimsstein, von den ersten Sonnenstrahlen beleuchtet, warf ein rötliches Licht zurück, dem ähnlich, das häufig die Gipfel der Hochalpen färbt. Allmählich ging dieser Schimmer in das blendendste Weiß über, und es ging uns wie den meisten Reisenden, wir meinten, der Pic sei noch mit Schnee bedeckt und wir werden nur mit großer Mühe an den Rand des Kraters gelangen können. (S. 47-48)

Im Gegensatz zu dem vor Anker liegenden Schiff erlebt man beim Segeln unmittelbar und hautnah wie dieser und die anderen zum Teil auch über 2.400m hoch aufragenden Berge die Luftströmungen verändern: sie wirken wie riesige Mauern, hinter denen Windstille herrschen kann oder beschleunigen den Wind an den Kaps enorm. Zudem bilden beispielsweise Teneriffa und Gomera bei dem normalerweise herrschenden Nordost-Passat eine starke Düse, welche hier Sturmsegeln mit Rauschefahrten mit dem Wind oder ein sehr anspruchsvolles Aufkreuzen gegen den Starkwind erforderlich macht.

Vor 19 Jahren sah ich den Teide mit dem Großsegler ROALD AMUNDSEN von Lissabon kommend zum ersten mal – aus rund 80 Seemeilen Entfernung! Der Wunsch, auf seine imposante Spitze zu klettern war beim ersten Anblick sofort da.

DSC_2313Nun konnte ich mit viel Glück endlich vom Meer bis zu seinem Kegelrand aufsteigen: aus der Marina San Miguel ging’s mit „Backpack“ zunächst bis in die Waldzone der Kanarischen Kiefern, wo eine milde Nacht im Zelt unter im Starkwind rauschenden Bäumen die rund 1.850m Anstieg belohnten. Früher Aufbruch und ganztägiges Wandern brachten mich in der zweiten Nacht auf 3.100m Höhe: hier ist das Hochgebirgsklima mit Temperatur um den Gefrierpunkt nur „bedingt zeltfreundlich“ – doch die kalte Nacht im vom Sturm durchgeschüttelten Zelt ist sofort beim Anblick der Sterne vergessen, die hier „zum Greifen nah“ blinkten. Da lässt sich in Kauf nehmen, dass in der Trinkflasche kleine Eiswürfel schwimmen…

Mit Taschenlampe ging’s dann morgens ab fünf Uhr über teilweise sehr unangenehm scharfkantige Lavafelder, die ich glücklicherweise so durchqueren konnte, dass ich direkt bei Sonnenaufgang die Bergspitze erreichte: ein atemberaubendes Erlebnis! Eine Stunde genoss ich im eiskalten, sturmgepeitschten Gipfelbereich den phantastischen Überblick über Teneriffa und andere Kanarische Inseln – wobei die fast geschlossene Wolkendecke nur einen direkten Blick auf die Nachbarinsel Gomera zulies. Doch auch dieser Wolkenzauber und die geradezu greifbar zu erkennende Dynamik der starken Windströmungen sind tiefe Eindrücke, die hoffentlich noch lange nachwirken können und mit denen ich nun noch einige Wochen mit einer 15m langen Yacht zwischen den Inseln segeln kann.

DSC_2312Welch ein Anblick für mich einen Tag nachdem ich die viertägige Wanderung mit insgesamt rund 100km Länge und 8.000 Höhenmetern wieder am Meer abgeschlossen hatte: der Teide war bis ca. 1.500m hinab mit Neuschnee bedeckt, den Ausläufer eines Tiefdruckgebietes gebracht hatten. Welch ein glückliches Wetterfenster ich doch hatte, so dass mich der majästätische Berg auf seinen Gipfel gelangen ließ!

Beim Mitwandern durch die Bilder der Galerie wünsche ich viel Vergnügen!

Als „Sehhilfe“ hier noch ein weiteres Zitat aus den Reisebeschreibungen von Alexander von Humboldt, so wie sie Alfred Gebauer im Buch „Alexander von Humboldt – seine Woche auf Teneriffa 1799“ wiedergibt:

Aus diesen einsamen Regionen blickten wir nieder in eine bewohnte Welt; wir ergötzten uns am lebhaften Kontrast zwischen den dürren Flanken des Pics, seinen mit Schlacken bedeckten steilen Abhängen, seinen pflanzenlosen Plateaus, und dem lachenden Anblick des bebauten Landes; wir sahen, wie sich die Gewächse nach der mit der Höhe abnehmenden Temperatur in Zonen verteilten. (S. 117)