06.10.2018: Geduld, Geduld und auf den Wind warten – wenn er nicht weht! Dies ist eine so wichtige Tugend für Segler um mit der Kraft des Windes durch die Welt ziehen zu können, denn der Wind ist ja sehr unstet. Jedoch so viel Flaute wie dieses Jahr in Skandinavien hat uns schon arg gefordert: doch Dank vieler Nachtfahrten ging’s größtenteils mit Windkraft zurück gen Süden.
In Göteborg schlürften wir schwedische Kultur (bis hin zum beeindruckenden Kunstgenuss in der Stadtgalerie während eines Starkwind-Tages), waren aber auch mitten drin in einem tief unter die Haut gehenden diesjährigen Groß-Problem: denn Wind drückte bei einem Waldbrand auf naher Insel den beißenden Rauch in den zentrumsnahen Hafen (hier im letzten Beitrag Bilder dazu).
Zurück ging’s bei sehr leichten Winden durch den Göteborger Schärengarten in Schleichfahrt. Aber auch zum Glück: denn schon leichte Winde treiben unser Schiff ja vorwärts, auch wenn sich’s wie Stillstand anfühlt. Und Wassermassen werden ebenfalls in Bewegung gesetzt, großräumige Strömungen sind hier fast ausschließlich von Richtung, Stärke und den Drehern des Windes abhängig. Daher schwankt der Wasserstand, wenn auch in diesem Bereich nur noch wenige Dezimeter mit „normaleren Gezeiten“. Hier herrscht vornehmlich die sogenannte „Windtide“.
Schwer einzuschätzen, ob ihr Einfluss nun so groß war oder doch einfach die navigatorische Aufmerksamkeit auf einem Tiefpunkt bei „Schleichfahrt“ – jedenfalls kam diese recht unsanft zu einem Ende, als die Wassertiefe nur noch sehr gering war… Oh ja, mit vielen Tricks und der Hilfe eines kleinen Bootes mit 25 PS Maschinenleistung kamen wir zum Glück ohne Schaden wieder frei und die Lehre sitzt tief: im Bereich der Schären darf die Konzentration nie nachlassen – wie ja auf See immer eine große Aufmerksamkeit gefordert ist. Die notwendige Konzentration und hohe Aktivität sind für mich eine der vielen verbindenden Gemeinsamkeiten für erfolgreiche „Fahrten“ sowohl auf Meeres- als auch auf Musikwellen! Und mit welcher Freude hatte ich noch kurz zuvor die Rückmeldung eines Dirigenten der Konzerte im Sommer gelesen, der den Konzertmeister dafür lobte, dass er uns „um die meisten Klippen doch ganz großartig herumgelotst hat“. Ja, zum Glück war es auch uns gelungen bei den teilweise sehr engen Fahrten auch außerhalb der betonnten Fahrwasser durch die wunderschönen Schärengärten mit ihrer enormen Formenvielfalt (über und eben auch unter Wasser!) zumindest fast alle Untiefen zu umschiffen…
Doch den Schwachwind abzuschütteln und guten Segelwind zu finden forderte uns ebenfalls stark heraus, denn die widrigen Windverhältnisse blieben uns treu! Dies ist natürlich auch ein schönes Erlebnis: eine Nacht unter Sternen mit gesetzten Segeln zu erleben. Und ja, am Morgen waren wir weitergekommen – wenn auch viele Stunden auf See viele schöne Eindrücke, jedoch nur wenige Seemeilen zum Ziel gebracht hatten. Nun, wer schnell reisen will nimmt eben lieber kein Segelschiff, die Fähren sind da deutlich zügiger…!
Doch vor allem die Hamburger Fotografin Joy Kröger zeigte mit ihren Impressionen, welch tiefe Meeresbilder gerade auch in der Flaute zu finden sind. Was der Wind mit seinem (vom Segler so geliebten!) Kräuseln der Meeresoberfläche doch alles verändert, welche Schönheit im spiegelglatten Wasser zu finden ist! Tag für Tag ging das Warten auf Wind weiter… Und als der Wind kam, da war’s dann auch gleich Starkwind.
Sind solche Wechsel noch im Normalbereich? Wie hoch sind die natürlichen Schwankungen in diesem höchst veränderlichen System? Ja, einfache Antworten gibt’s da bestimmt nicht, doch schon die Waldbrände zeigen mit drastischer Deutlichkeit stark Veränderungen, auf die viele Regionen Skandinaviens nicht vorbereitet sind. Die nächsten Monate sollen Gelegenheiten bieten, um diesen Themen auf den Grund zu gehen!
Der Klimawandel ist ja an vielen Orten spürbare Realität – und während wir in Kopenhagen ankamen zeigten erneut Demonstrationen am „Global day of protest over climate change“ weltweit, wie stark dieses riesige Menschheitsproblem bewegen kann.
2009 waren wir als COPsail zur Klimakonferenz in Kopenhagen gesegelt – zur 15. Conference of the Parties (COP15). Dieses Jahr demonstrierte ein Großsegler in Sydney mit gesetzten Segeln für die Kraft erneuerbarer Energien und für starke Veränderungen.
Ja, auch wenn wir in diesem Jahr nicht aktiv mit unserem Schiff für den Klimaschutz demonstrierten: für mich steht der COPsail am Beginn meiner selbständigen Arbeit als Klimasegler und der tiefe Wunsch zum durchgreifenden Wandel hin zum Wirtschaften mit hoher Klimaverträglichkeit treibt mich weiterhin an. Und auf allen Sommerreisen segelte ich mindestens den größten Teil, im besten Fall dieses Jahr 80% der Strecke. Doch auch da können wir uns noch weiter verbessern und die Kraft des Windes noch stärker und effektiver nutzen.
Jetzt geht’s für SAMYRAH jedoch erstmal wieder zurück: vorbei an Kiel nach Hamburg. Dort wird sie in ihrem Heimathafen den Winter verbringen und vermutlich noch lange von den hellen Nächten und rauschenden Fahrten im Norden träumen… Ja, und sicherlich auch von den Flautezeiten, dem so spiegelglatten Wasser…
In nächster Zeit darf ich „in Etappen“ nach Süden ziehen: nun unmittelbar die nächsten Tage als Skipper mit einer 15m-Yacht von Brest aus durch die Biskaya (ebenso wie im letzten Jahr, da fuhr ich sie allerdings bis zu den Kanarischen Inseln).
Und dann wartet ab Mitte Dezember für mehrere Monate eine großartige Aufgabe auf mich, denn ich darf als Steuermann der THOR HEYERDAHL mit durch die Karibik segeln! Von Grenada aus in 11 Wochen über mehrere Stationen wie Panama, Mexiko und Kuba bis zu den Bermudas. Ich freue mich sehr auf die Zeit an Bord des Dreimasters mit seinem Klassenzimmer unter Segeln!!
Zum Glück kann ich auch mit frischem „Musikwind“ die Tour antreten, denn im November darf ich noch zwei größere Konzerte mitspielen…
Auf Musik- & Meereswellen heißt es momentan zu meiner großen Freude ganz deutlich FRAM (=vorwärts)!