02.10.2019: Mit „lauen Lüftchen“ bis hin zu „stürmischem Wind“ mussten wir auf unserem Weg gen Oslo und zurück nach Eckernförde klarkommen – und solche herrschen jetzt ja auch in der Klimadebatte. Vom kleinen Klimapaketchen bis hin zum Protest von „Fridays for Future“ und zahlreichen Aktionen. Da ist weltweit auf den Straßen enorm viel Dynamik drin, die es zu nutzen gilt. Also: Vollzeug für den Klimaschutz, denn es ist Zeit für eine starke Wende. Jetzt!

Sommertörns nach Oslo

Ja, es ging auch immer wieder „unter Vollzeug“ gen Norden und via Kopenhagen und Göteborg bis Oslo, welches wir mit unserer SAMYRAH Dank vieler aktiver Mitsegler gut erreichten. Auf diesen Touren bestimmt die Natur unseren Lebensrhythmus, denn wir versuchen den Wind bestmöglich zu nutzen.

Lichtzauber am frühen Morgen vor den Kreidefelsen von Møn.

Da ging’s dann auch mal eine ganze Nacht bei kräftigem Westwind von der dänischen Insel Ærø in einem Schlag bis Møn mit seinen malerischen Kreidefelsen.

Durch die Nachtfahrt – mit partieller Mondfinsternis war das grundsätzlich schon beeindruckende Erlebnis noch ergreifender! – konnten wir dann die anschließende Flautephase mit Wanderungen zu den bizarren Felsen und ausgiebigem Baden nutzen. Mit „allen Tüchern oben“ konnten wir dann auch bei schwachem Wind weiterziehen und brauchten die Maschine auf diesem – wie auf den meisten Törns! – lediglich für Hafenmanöver.

„Große Oper“ in Kopenhagen: ein Gewitter zieht ganz langsam direkt über unseren Liegeplatz mitten in der Stadt.

Kurz nach der Ankunft in Kopenhagen wurde uns gegenüber der Oper liegend eine ganz große „Light-Show“ geboten, von ganz oben: es schien schon fast eine „Götterdämmerung“ zu sein, die sich da in einem enorm heftigen Gewitter direkt über uns entlud und mich vor Ergriffenheit und Kälte zittern ließ – auch wenn mir dabei zu meiner großen Freude sogar ein „Fotobeweis“ gelingen konnte, dass Blitze zumindest unsere SAMYRAH zum Glück verschont haben. Doch diese brachiale Gewalt solch extremer Gewitter gingen mir gerade an dem Ort stark unter die Haut, an dem wir im Dezember 2009 während der UN-Klimakonferenz lautstark von Segelschiffen aus für stärkeren Klimaschutz demonstriert hatten.

Unter Vollzeug nördlich von Göteborg – ein Seglertraum!

Selbst wenn wissenschaftlich noch Unsicherheiten bestehen und die Zunahme von Unwettern nicht eindeutig dem Klimawandel zugeschrieben werden kann und es selbstverständlich viele Faktoren sind, die da eine Rolle spielen: mich persönlich lassen diese Entladungen einer so ungeheuerlichen Energie in keinster Weise kalt sondern sind für mich geradezu symbolhaft für eine Zukunft, in der es immer häufiger gewaltige Gewitter geben könnte – in der Natur und Gesellschaft!

In Wochentörns ging’s von Kopenhagen nach Göteborg und Oslo durch die spannende Welt der schwedischen Schärenlandschaft, in denen die Navigation herausfordernd ist und die mit blankgeschliffenene Steinen wunderschöne Anblicke und spannende Einblicke in die faszinierende Geologie dieser Küstenregion bietet.

Auch da waren wir stets dicht dran an den Steinen und am Wind, der vielfach durch die Inseln umgebogen, beschleunigt und verändert wird.

Faszinierende Durchfahrt im schwedischen Schärengarten.

In Oslo lagen wir ebenso wie im letzten Sommer wieder in Sichtweite des Rathauses. Schon von Außen zeigte das zwischen Hafen und Rathaus gelegene Fridensnobelpreis-Zentrum dieses Jahr eine neue Ausrichtung: das Klima stand auch dort im Fokus. Ja, viele Mitsegler und ebenso mich selber fasziniert immer wieder beim Segeln, dass wir so stark eingebunden sind in die Kräfte der Natur.

Manchmal herrscht an Bord geradezu greifbar ein so unglaublich starkes Gefühl von Freiheit und ebenso Frieden mit der faszinierend dynamischen Umwelt, durch die wir mit der Kraft des Windes hindurchziehen können. Doch all dies ist in Gefahr unumkehrbar zerstört zu werden und muss aktiv geschützt werden. Daran mahnte das weiße Haus des Fridensnobelpreis-Zentrums bereits von Außen und im Innern mit stimmungsvoller und zudem sehr informativer Ausstellung mit vielfältiger Sicht darauf, was vor allem Jugendliche zum Klimaschutz antreibt – stark geprägt von der Schwedin Greta Thunberg. Ihr Slogan wird auf Norwegisch noch kürzer:  „Skolestreik for KLIMA“!

Am 20. September in Bonn: Fridays for Future

Bonner Hofgarten: 1981 Ort für DIE Friedensdemonstrationen – jetzt für Klimaproteste aller Alters- und Berufsgruppen.

Dort wo 1981 rund 300.000 Menschen für den Frieden und gegen atomare Aufrüstung demonstrierten, im Bonner Hofgarten, versammelten sich am 20. September weit mehr Menschen aller Altersklassen – mehrheitlich Jugendliche – um für den Klimaschutz zu demonstrieren.

Letztlich zogen rund 15.000 Demonstranten friedlich durch die Straßen der Bundesstadt und forderten lautstark ein entschlossenes und kräftiges Handeln der Politik, welches angemessen zur ernsthaften Bedrohung passt. Insgesamt gingen für einen starken Klimaschutz alleine in Deutschland ja rund 1,4 Mio. Menschen auf die Straße, ebenso wie in rund 150 weiteren Ländern demonstriert wurde. Klimaschutz bewegt weltweit mit enormer Dynamik. Da herrscht ein „stürmischer Wind“ – und er nimmt offensichtlich weiter zu!

Geradezu im Kontrast dazu standen an demselben Tag die Beschlüsse der Bundesregierung zum Klimapaket: ein „laues Lüftchen“!

IPCC-Sonderbericht & Deutscher Kongress der Geographie

Gleich in der Eröffnungsrede zu einem äußerst aktiven und mit über 2.000 Teilnehmern sehr gut besuchten Deutschen Kongress der Geographie in Kiel Ende September stellte Prof. Mojib Latif, Kieler Klimaforscher vom GEOMAR, fest: „Ja, Klimapolitik muss selbstverständlich sozialverträglich sein – doch das Klimapaket der Bundesregierung verdient seinen Namen nicht: es war höchstens ein Klimapaketchen!“ Er nannte auch diese konkreten Zahlen: der CO2 Preis hätte statt der 10€/Tonne mindestens 50€ betragen müssen und zitierte sein Statement im ZDF: das Klimapaket sei eine „Sterbehilfe für das Weltklima“.

Mit seinen bereits über Jahrzehnte immer wieder vorgebrachten Forderungen mahnt er auch die im stark besuchten Hörsaal der Kieler Universität versammelte Gemeinschaft der Geographen daran: „Wir brauchen eine große gesellschaftliche Entwicklung. Wir müssen das Unmögliche denken“. Er betont, wie wichtig es ist neben wissenschaftlicher Forschung sich zudem aktiv in die Politik und den gesellschaftlichen Diskurs einzubringen, denn „wir müssen handeln um die Bedingungen auf der Erde so zu erhalten, wie wir sie vorgefunden haben!“

Am Ende seines Vortrages nennt Mojib Latif die Zahl, die so stark ernüchtern kann und im Gegensatz zu den weltweiten Protesten und Bemühungen zahlreicher Menschen teilweise seit Jahrzehnten steht: Global ist der CO2-Ausstoß seit 1990 um 63% gestiegen – und ist damit noch extrem weit weg von einer notwendigen Reduktion!

Spannende Vorträge und Diskussionen folgten, ja, der Kieler Campus „brummte“ und es wurden viele aktuelle Themen mit prominenter Besetzung und direkter Verknüpfung vertieft. So wurde der am 25. September erschienene Sonderbericht des IPCC zu Ozeanen und Eis von zwei Geographen vorgestellt, die an ihm mitgeschrieben haben: Prof. Beate Ratter und Prof. Matthias Garschhagen – mit spannender Diskussion besonders auch der Rolle der Medien, da unter anderem die bereits langjährig für die Deutsche Welle arbeitende Redakteurin Anke Rasper in der Podiumsdiskussion ihre Sicht und Forderungen einbrachte. Im Interview stellt Prof. Garschhagen hier auf der Webseite des Bundesministeriums für Bildung und Forschung Inhalte des Sonderberichtes vor.

Nach vielen, vielen sehr spannenden Beiträgen schwirrte mir der Kopf. Ideal wäre da: raus auf’s Meer, welches ja ebenso bewegt ist wie die meisten Diskussionen es sind – und wo frischer Wind und Wellen so wunderbar „dynamisch sortieren“ können. Welch Glück, dass es auch unter den teilnehmenden Professoren so spontane Menschen gibt, die voller Begeisterung und kurzentschlossen mit nach Eckernförde fuhren und die der Bonner Freund aus Studientagen, Dr. Benjamin Etzold, jetzt beim BICC tätig, bestens kennt und die schnell für eine Segeltour zu gewinnen sind.

Kurzer Segeltörn mit starken Eindrücken & viel Potential!

Wissenschaft und Praxis standen im „Wetter-Test“ mit nicht gerade umwerfendem Ergebnis für die Wissenschaft: die Regenfront, die für 23 Uhr angekündigt war, sie kam bereits um 20 Uhr – und damit platzte bzw. platschte sie im Wortsinn mitten in die Überfahrt. Der Wind drehte in Böen bis auf sieben Windstärken auf und der Norden zeigte sich naß-kalt auf dem Wasser. Mit noch passablem Regenschutz wollte ich den Mitseglern doch auch unseren schönen (und trockenen!) Innenraum der SAMYRAH schmackhaft machen – doch diese Aufforderung wurden nicht befolgt!

Typisch nordisch-trübes Wetter – doch dies stört echte Geographen nicht!

Tief, ja, triefend-tief wurden die Meeres-Impressionen aufgesogen und begeistert die Fahrt durch Dämmerung und beginnender Nacht genossen: es war ein spannender Starkwind-Schlag aus der Eckernförder in die Kieler Bucht hinein.

Und meine Begeisterung für die Geographie mit so unternehmungslustigen Akteuren wurde damit noch weiter gestärkt! Dafür nehme ich eine anschließende recht starke Erkältung billigend in Kauf. Zudem kann ich fast schon empirisch belegen, dass Konferenzkleidung und -schuhe offensichtlich hervorragend geeignet sind für’s Segeln durch kräftigen Wind und Regen – denn meinen Mitseglern Prof. Andreas Pott, Prof. Malte Steinbrink und Ass. Prof. Gunnar Stange ging’s auch zurückgekehrt von der Waterkant ins Binnland nach Osnabrück, Passau und Wien weiterhin allerbest, während ich mich regenerieren musste…! Ein großartiger Törn war’s, der nach Fortsetzungen ruft!

Am Abschlusstag der Konferenz zeigte sich Kiel erneut von seiner „nordischen Seite“ und eine weitere Fahrt durch „Schietwetter“ folgte. JA, und dabei kamen wir dann an einen für uns entscheidenden Punkt: vor dem Schriftzug „Climate justice“ steuerten wir ganz bewusst um. Ich rief mit vollster Überzeugung über Deck:

„KLAR ZUR WENDE“!